Dritter Teil
»Wir müssen gehen.« Plötzlich besinnt sich meine Freundin darauf, mir zur Seite zu stehen.
Doch nicht jetzt, Lotti!
»Na, dann geht mal lieber.« Durch das amüsierte Lächeln, das seine Mundwinkel umspielt, sieht der Zirkusreiter noch besser aus. Sicher bin ich längst knallrot angelaufen! Wenigstens verhüllt mein Schlabberlook, wie mein Körper sonst noch so auf seine Nähe reagiert.
Hoffe ich jedenfalls.
»Ja … gehen …«, stammle ich, dann schlüpfe ich an ihm vorbei – wobei ich peinlich genau darauf achte, ihn auch ja nicht zu berühren – und stürzte hastig zu meiner Freundin. Sein dunkles Lachen verfolgt uns, bis wir die Wagenburg weit hinter uns gelassen haben.
»Hab ich doch gleich gesagt, was für eine Schnapsidee!«, schimpft Lotti.
Kann es wirklich sein, dass meine Cousine nicht mitbekommen hat, was sich zwischen dem Zirkusreiter und mir abgespielt hat? Oder hat sich da gar nichts abgespielt, und meine Fantasie geht mal wieder mit mir durch?
Ich blende Lottis Gezeter aus und spiele in Gedanken die Begegnung nochmal durch. Was wäre wohl passiert, wenn Lotti uns nicht unterbrochen hätte?
***
Am nächsten Abend sitze ich wieder auf den harten Holzbänken im Zirkuszelt. Alleine diesmal. Es besteht schließlich kein Grund, Lotti mit der Nase darauf zu stoßen, dass ich für den Zirkusreiter schwärme.
Außerdem – nach genauer Analyse des gestrigen Abends bin ich zu dem Schluss gekommen, dass er mich lediglich ein bisschen aufziehen wollte. Gar nichts wäre passiert!
Aber träumen darf man ja noch …
Also lasse ich mehr oder weniger aufmerksam die Vorstellung an mir vorüberziehen, bis es endlich soweit ist, und Bruno Brunelli mit seinen Pferden auftritt. Wieder halte ich die Luft an, während er sein atemberaubendes Programm zeigt. Und wieder tobt das Publikum vor Begeisterung, als die Nummer zu Ende ist.
Doch ich lasse enttäuscht die Schultern sinken. Nur noch ein Abend, dann zieht der Zirkus weiter. Was habe ich mir davon erhofft, hierherzukommen? Der Zirkusreiter ist für mich ungefähr so erreichbar wir Prinz Paris aus der griechischen Sage. Auf keinen Fall werde ich mich nochmal zwischen den Wagen herumtreiben, das traue ich mich nun wirklich nicht.
Das Zelt leert sich und ich schließe mich den letzten Besuchern an.
»Mein Auftritt scheint ja wirklich ganz gut anzukommen.«
Ich zucke zusammen, als ich die rauchige Stimme höre und drehe mich um. Neben dem Eingang lehnt der Zirkusreiter lässig an einer der Zeltstangen.
»Oder wolltest du den Clown nochmal sehen?«
Ich schüttle nur den Kopf.
»Los komm! Du kannst mir helfen – bevor du wieder wie ein Dieb hier herumschleichst.«
Bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann, hat er sich umgedreht und marschiert mit langen Schritten um das Zelt herum. Dass ich mitkomme, scheint für ihn außer Frage zu stehen. Hastig schließe ich mich ihm an.
Hat sein Anblick mir die Sprache verschlagen? Irgendwas sollte ich sagen. Etwas Intelligentes! Oder besser, einen witzigen Spruch. Nur, dass mein Kopf wie leergefegt ist. Der einzige Gedanke, zu dem ich im Augenblick fähig bin, ist, dass ich definitiv noch nie einen Mann mit einem derartig sexy Hintern gesehen habe.
Nicht gerade die passende Gesprächseröffnung!
Allerdings scheint der Zirkusreiter auch nicht der Gesprächigste zu sein. Wir erreichen einen Hydranten, an dem bereits mehrere gefüllte Wassereimer warten. Schweigend drückt Brunelli mir zwei davon in die Hand und ich gerate unter dem Gewicht mächtig ins Wanken. Doch ich beiße die Zähne zusammen – keinesfalls soll er glauben, ich sei nur zum Streicheln von Pferden zu gebrauchen! Also stiefle ich tapfer hinter ihm her, obwohl mir der Weg zu den vier Rappen endlos lang erscheint.
»Stell die Eimer erstmal hier ab. Erhitzt sollen sie nichts trinken.«
Weiß ich doch!
»Die Hufe müssen noch ausgekratzt werden.« Er reicht mir den Auskratzer und zeigt auf das erste Pferd in der Reihe. »Das ist Orlando. Kommst du klar?«
»Logisch!« Gut. Meine Stimme funktioniert noch. Gewissenhaft mache ich mich an die Arbeit. Zwar geht es mir bei Orlando wie bei seinem Reiter – von nahem wirkt er ziemlich beeindruckend. Aber das Pferd ist gut erzogen und macht es mir leicht, nacheinander die Beine aufzuheben. Zufrieden setzte ich schließlich den letzten Huf auf den Boden.
»Du bist also so ein Pferdemädchen.«
Ich zucke zusammen. Seit wann steht er denn so dicht hinter mir?
»Bist du deshalb hergekommen? Wegen den Pferden?«
Sein warmer Atem streift meinen Hals und die winzigen Härchen an meinem Nacken stellen sich auf.
»Nein«, sage ich leise.
»Warum dann?«, raunt er. Sein Mund ist nun ganz dicht neben meinem Ohr. Wenn ich mich nur einen Millimeter zurücklehne, liege ich in seinen Armen. Wie soll mir denn da eine geistreiche Antwort einfallen?
»Sag es!«
»Wegen dir! Dich wollte ich sehen«, quetsche ich mühsam heraus.
Er seufzt. Ob erleichtert oder resigniert, vermag ich nicht zu sagen.
Dann berührt er mich zum ersten Mal, packt mich an den Schultern und dreht mich herum. Es ist, als würde mich ein elektrischer Schlag treffen.
»Ich muss bald weiterziehen.«
»Ich weiß.«
»Aber ich werde dir das Herz brechen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil du so ein Mädchen bist. Das ihren Körper nur mit ihrem Herzen verschenkt.«
Stimmt das? Ich kenne ihn doch gar nicht. Dennoch scheint sich mein Herz allein bei dem Gedanken zu verkrampfen, dass er bald fort sein wird.
Unwichtig!, jammert der Rest von mir. Er riecht so gut, nach Mann und nach Pferd. Und von seinen Händen, die immer noch auf meinen Schultern liegen, geht so eine wunderbare Wärme aus. Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe ihn bittend an.
Er schiebt seine Hände unter mein T-Shirt.
»Ist es das, was du willst?«
Ich kann nur nicken. Seine Hände wandern zu meinen Brüsten, umschließen sie fest. Ich keuche auf. Meine Nippel sind bereits fest und er fängt an, sie zwischen seinen Fingern zu rollen.
»Ich kann dir nicht geben, was du willst«, sagt er fast flehentlich.
Oh, das ist mein Körper aber ganz anderer Meinung! Noch nie hat mich ein Mann so berührt. Heiße Blitze schießen von meinen Brüsten direkt in meinen Schoß und ich stöhne auf.
»Ich will dich.« Es ist mir völlig egal, dass sich das nach Betteln anhört. So eine Nacht wie diese gibt es sicher nur einmal im Leben, und die werde ich mir nicht entgehen lassen.
»Also gut«, knurrt er.
Er gibt meine Nippel frei, was mir einen kleinen Schrei entlockt. Seine Hände umschließen meine Hüften, und er zieht mich an sich. Ich merke sofort, dass seine Erregung meiner in nichts nachsteht. Wie hypnotisiert sehe ich zu ihm auf, während sich seine Lippen meinem Mund nähern.
Endlich küsst er mich. Nicht zärtlich, sondern wie ein hungriger Wolf. Seine Zunge erobert ohne Umschweife meinen Mund. Sein Geschmack nach Tabak und Äpfeln berauscht mich noch mehr. Eine seiner großen Hände umfasst meinen Po, während er die andere in meinen Nacken legt, so dass ich mich seinem tiefen Kuss nicht entziehen kann.
Was das Letzte ist, was mir in den Sinn kommt. Stattdessen merke ich, wie ich kleine, entzückte Laute von mir gebe. Ich schlinge meine Arme um seinen gewaltigen Brustkorb, versuche, mich noch enger an ihn zu drängen. Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich in mir zu spüren.
»Habt ihr kein Bett?«, fragt in diesem Augenblick eine meckernde Stimme hinter mir.